Father-Brown

 

Rückweisung der niederländischen Beschlüsse durch Papst Paul VI.

 

30.1.1970: Jean Kardinal Daniélou schreibt im Osservatore Romano zur Frage "Der priesterliche Zölibat" u. a.:

Es gibt ein Pastoralproblem, das man in Erwägung ziehen kann, und zwar folgendes: ob die Kirche unter bestimmten Umständen und als Antwort auf klar umrissene Erfordernisse verheiratete Männer zum Priestertum zulassen kann ...

Es gibt also klare Fälle, in denen die obige Frage legitim gestellt werden kann. Die jedoch vom Niederländischen Pastoralkonzil aufgeworfene Frage ist völlig anderer Natur. Wir müssen zugeben, dass es sich hierbei um einen Aspekt der umfassenderen Krise handelt, in der sich gegenwärtig ein Teil der Kirche befindet. Es ist kein Zufall, dass man in denselben Kreisen nicht nur den Zölibat der Priester in Abrede stellt, sondern auch den spezifischen Wert des Amtspriestertums ...

Die wahre Antwort auf die Krise des priesterlichen Lebens ist diejenige, die Paul VI. gibt, wenn er erklärt: Die Erneuerung des Priestertums ist mit der Neuentdeckung des erhabenen Wertes des Zölibats der Priester verbunden ...

Für einige unter den Vorkämpfern stellt die Kampagne gegen den priesterlichen Zölibat lediglich einen Vorwand dar. Durch ihn wollen sie die Autorität des Papstes treffen. Wir sehen ein Manöver kommen, das darin besteht, Paul VI. gegen die bischöfliche Kollegialität auszuspielen. Geschickte Aufrufe werden an den Weltepiskopat gerichtet, er solle sich mit den Niederländern solidarisch erklären. Damit will man die Autorität des Papstes untergraben, sie langsam einzingeln, um sie dann zu unterdrücken. Auf dem Grund aller Kampagnen, die einander ablösen, liegt die Abneigung gegenüber der Autorität Roms ...

1.11.1970: Papst Paul VI. hält, noch ehe ein Termin für den Empfang der angekündigten niederländischen Bischofsmission zwecks Unterrichtung des Papstes über die niederländischen Beschlüsse vereinbart wurde, eine Sonntagsansprache aus dem Fenster seines Arbeitszimmers an die Gläubigen im Hof des Vatikans, in der er u. a. sagt:

Unter den großen Anliegen, die der Hilfe Gottes bedürfen ... ist eines, das Uns sehr am Herzen liegt und von dem heute viel die Rede ist: der Heilige Zölibat der Priester. Er ist ein Hauptgesetz unserer lateinischen Kirche. Man kann ihn nicht aufgeben oder in Diskussion stellen: Das hieße zurückschreiten; hieße einer Liebes- und Opfertreue untreu werden, die unsere lateinische Kirche nach langer Erfahrung, mit ungeheurem Mut und in evangelischer Ausgeglichenheit sich auferlegt hat in dem jahrhundertelangen Bemühen strenger Auslese und beständiger Erneuerung ihres Amtspriestertums, von dem die Vitalität des gesamten Gottesvolkes abhängt. Gewiss ist er eine sehr hohe und sehr anspruchsvolle Anforderung, deren Befolgung außer einem unwiderruflichen Vorsatz eines besonderen Charismas bedarf, das heißt einer höheren und inneren Gnade. Diese Gnade befähigt zur Übereinstimmung mit der Berufung zur einzigen Nachfolge Christi und zur Übereinstimmung mit der bedingungslosen Antwort des Jüngers, der alles verlässt, um ihm zu folgen und sich vollkommen und ausschließlich und mit ungeteiltem Herzen dem Dienst an seinen Brüdern und der christlichen Gemeinde zu widmen. Das alles macht den kirchlichen Zölibat zu einem höchsten Zeugnis für das Reich Gottes, einem einmaligen und beredten Zeichen der Werte des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, zu einer unvergleichlichen Bereitschaft zu vollem Dienst in der Seelsorge, zu einer beständigen Aszetik christlicher Vollkommenheit. Ja, er ist schwierig, aber gerade dieses Kennzeichen macht ihn den jungen und glühenden Menschen anziehend. Und er ist mehr denn je gültig für die Erfordernisse unserer Zeit...

4.11.1970: Papst Paul VI. veröffentlicht im Osservatore Romano ein Schreiben "Aus dem Vatikan, 2. Februar 1970, am Fest der Darstellung im Tempel" an Kardinal-Staatssekretär Jean Villot, in dem er den Kardinal bittet, ihm insbesondere unter Betrachtung seines Amtes in diesem gesamten Fragenkomplex besonders beizustehen. In dem Schreiben heißt es u. a.:

Die Erklärungen über den Zölibat, die in den letzten Tagen in den Niederlanden veröffentlicht wurden, haben uns tief betrübt und haben in uns viele Fragen wachgerufen: wegen der Motive für eine solche schwerwiegende Haltung, die dem sakrosankten Gesetz, das in unserer lateinischen Kirche gilt, entgegengesetzt ist; wegen der Auswirkungen im ganzen Volk Gottes, besonders im Klerus und bei den jungen Menschen, die sich auf das Priestertum vorbereiten; wegen der verwirrenden Folgen im Leben der ganzen Kirche und wegen des Widerhalls bei allen Christen und auch bei den anderen Gliedern der Menschheitsfamilie ...

Wir fragen uns zuallererst demütig und in vollkommener innerer Aufrichtigkeit, ob nicht unsererseits irgendeine Verantwortung angesichts so unglücklicher Revolutionen vorliegt, die von unserem Standpunkt und, wie wir meinen, auch von jenem der Gesamtkirche so verschieden sind ...

Die Gründe, die zur Rechtfertigung einer so radikalen Änderung der jahrhundertealten Regel der lateinischen Kirche, die so viele Früchte der Gnade, der Heiligkeit und des missionarischen Apostolats hervorgebracht hat, angeführt werden, sind wohlbekannt.

Aber diese Gründe, wir müssen es unzweideutig klarstellen, erscheinen uns nicht überzeugend. Sie scheinen in Wirklichkeit eine grundlegende und wesentliche Überlegung zu vernachlässigen, die keineswegs zu vergessen ist und die der übernatürlichen Ordnung angehört. Sie scheinen tatsächlich ein Nachgeben in dem wahren Verständnis des Priestertums darzustellen. Die einzige Perspektive, die im Auge behalten werden muss, ist die der evangelischen Sendung, dessen Herold und Zeuge im Glauben und in der Hoffnung auf das Reich wir sind ...

Werte des Evangeliums können nur im Glauben, im Gebet, in der Buße, in der Liebe begriffen und nicht ohne Kämpfe und Abtötungen verstanden und gelebt werden, auch nicht ohne gelegentlich in der Nachfolge Christi und der Apostel den Spott und die Verachtung der Welt, Unverständnis und sogar Verfolgung auf sich zu ziehen. Die totale Hingabe an Christus geht bis zur Torheit des Kreuzes ...

Wenn wir also folglich all das vor Gott, vor Christus und vor der Kirche, vor der Welt betrachten, fühlen wir uns verpflichtet, von neuem klar zu bekräftigen, was wir schon erklärt und mehrmals wiederholt haben, nämlich, dass die Verbindung zwischen Priestertum und Zölibat, die seit Jahrhunderten von der lateinischen Kirche festgelegt ist, für diese ein in höchstem Maße kostbares und unersetzliches Gut darstellt. Es wäre eine schwere Vermessenheit, diese von der Tradition geheiligte Verbindung zu unterschätzen oder gar fallenzulassen ...

Was die Priester betrifft, die sich aus als gültig anerkannten Gründen unglückseligerweise in der radikalen Unmöglichkeit befinden, darin auszuhalten - wir wissen, dass es sich dabei nur um eine kleine Zahl handelt, während die große Mehrheit mit Hilfe der Gnade den auf sich genommenen heiligen Verpflichtungen vor Gott und der Kirche treu bleiben will -, so geschieht es unter großem Schmerz, dass wir uns nach aufmerksamer Prüfung eines jeden einzelnen Falles bereitfinden, ihre inständige Bitte, von ihren Versprechen gelöst und von ihren Verpflichtungen befreit zu werden, annehmen. Jedoch darf uns das tiefe Verständnis, das wir in einem Geiste väterlicher Liebe für die Personen haben wollen, nicht daran hindern, eine Haltung zu bedauern, die so wenig mit dem übereinstimmt, was die Kirche legitimerweise von denen erwartet, die sich endgültig ihrem ausschließlichen Dienst geweiht haben ...

Deswegen bekräftigen wir nach reiflich überlegter Entscheidung klar unsere Pflicht, nicht zuzulassen, dass das priesterliche Dienstamt von jenen ausgeübt werden kann, die, nachdem sie die Hand an den Pflug gelegt, sich zurückgewendet haben (vgl. Luk. 9, 62). Ist das anders herum gesehen nicht auch die beharrliche Tradition der verehrungswürdigen orientalischen Kirchen, auf die man sich in diesem Zusammenhang so gerne beruft? Im Übrigen wagen wir kaum an die nichtkalkulierbaren Konsequenzen zu denken, die eine andere Entscheidung für das Volk Gottes auf spirituellem und pastoralem Gebiet nach sich ziehen würde ...

Und deshalb halten wir es, Herr Kardinal, vor allem für notwendig, die Bischöfe, die Priester und alle Glieder der holländischen katholischen Gemeinschaft unserer beständigen liebevollen Zuneigung, aber zur gleichen Zeit auch unserer Überzeugung zu versichern, dass es unerlässlich ist, die formulierten Voten und den in einer Frage von so schwerwiegender Tragweite für die Gesamtkirche eingenommenen Standpunkt im Lichte der oben dargestellten Überlegungen und im Geiste einer authentischen kirchlichen Communio neu zu überprüfen ...

» Stellungnahmen des deutschen Klerus und Episkopats

 

Autor: Hanswilhelm Haefs

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