Father-Brown

 

Die Entwicklung seit dem II. Vaticanum

 

Offiziell geriet die Zölibatsfrage mit einer ganzen Reihe moderner Argumentationen wieder in die Diskussion, als sie auf dem II. Vaticanum aufgeworfen wurde. Diese Diskussion wurde nicht zuletzt durch eine interne Anweisung Pauls VI. von 1964 verursacht, in dem er durch Geheimes Dekret von Alfredo Kardinal Ottaviani, Propräfekt des Heiligen Offiziums, den Kirchenfürsten mitteilen ließ: Aus Sorge um den Schutz und die unbefleckte Bewahrung des Zölibats seien alle Priester, die so weit gekommen seien, sich an Frauen zu binden, und sogar bemüht seien, in sogenannten Zivilehen zu leben, vor eine Kommission des Hl. Offiziums zu bringen und nach Überprüfung ihrer Ämter zu entheben, mit Ehe-Dispens auszustatten und geheim kirchlich zu trauen, damit das Ärgernis ausgerottet werde; die entsprechenden Akten seien in den bischöflichen Geheimarchiven aufzuheben. Die Zahl der Dispensanträge wuchs insbesondere nach der Zölibatsenzyklika von 1967 an.

Hierzu ist noch anzumerken, dass nach Expertenschätzung sich höchstens 55 % aller heiratenden Priester um Dispens bemühen. Es dürften von 1964 bis Ende 1969 insgesamt 3 % des katholischen Klerus oder ca. 12 800 Priester mit oder ohne Dispens geheiratet haben und damit aus dem Amtsdienst ausgeschieden sein.

In der gesamten Zölibatsfrage spielen auch die Ausnahmen und Widersprüche in der römischen Haltung eine Rolle:

  1. können nichtkatholische Geistliche, die verheiratet sind, nach Konvertierung Priesteramt und Ehe weiterführen;
  2. gilt für die mit Rom unierten Ostkirchen die konstantinopolitanische Eheregel der Orthodoxie (Patriarch Maximos IV. Saigh kritisierte auf dem II. Vaticanum in diesem Zusammenhang: Im Zweifelsfall müsse nicht das Priestertum dem Zölibat, sondern der Zölibat dem Priestertum weichen);
  3. dürfen Diakone verheiratet zahlreiche priesterliche Funktionen ausüben;
  4. ist der Zölibat - wie aus allem Gesagten hervorgeht - da nicht göttlichen Rechts kein Dogma, sondern ausschließlich historisch gewachsenes Kirchenrecht, also ohne Schaden für die geoffenbarte Lehre aufhebbar;
  5. wird einerseits die Kraft zur Ehelosigkeit durchgehend als besondere Gnadengabe Gottes an einzelne bezeichnet, andererseits aber auf Gesetzesweg von allen Priestern verlangt.

» Die Entwicklung im niederländischen Klerus

 

Autor: Hanswilhelm Haefs

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