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Das 5. niederländische Pastoralkonzil

 

24.12.1969: Papst Paul VI. richtet ein Schreiben an Bernardus Kardinal Alfrink, das dieser - um der bevorstehenden niederländischen Pastoralkonferenz die Belastung einer Kenntnis der päpstlichen Stellungnahme zu ersparen - zunächst geheimhält, weshalb der Papst die Veröffentlichung im Osservatore Romano am 12./13. Januar 1970 anordnet.

In dem Schreiben heißt es u. a.: Die vorbereitenden Dokumente dieser Konferenz zitierten, was besonderen Eindruck mache, äußerst selten aus den Dokumenten des II. Vaticanums oder aus anderen neuen lehramtlichen Verlautbarungen; mehr noch: Sie stünden mit den genannten Dokumenten kaum in Einklang.

    Hinsichtlich des Dienstamtes:
  • a) die Darstellung von Ziel und Aufgaben der Kirche erscheint so, als ob deren Sendung rein irdischer Art wäre;
  • b) das Priesteramt wird als von der christlichen Gemeinde übertragen angesehen;
  • c) man schlägt - bisweilen gebieterisch - die Entflechtung von Priestertum und Zölibat vor;
  • d) man kritisiert die These, dass nur der Mann Priester werden könne;
  • e) man spricht vom Papst nur, um sein Amt und die ihm von Christus selbst übertragenen Gewalten auf ein Mindestmaß herabzusetzen, usw. ...
  • Im Hinblick auf den gottgeweihten Zölibat scheint uns ... die Pflicht der katholischen Hierarchie in den gegenwärtigen Schwierigkeiten der Kirche klar vorgezeichnet: alles in Einklang mit den Beschlüssen des II. Vatikanischen Konzils ("Lumen gentium", Abschnitt 42, 3; "Presbyterorum ordinis", Abschnitt 16; "Perfectae caritatis", Abschnitt 12) mit Achtung und Hochschätzung dieses unvergleichlichen Schatzes der lateinischen Kirche zu erfüllen; klar und fest zu lehren, dass die hochherzige Übung der vollkommenen Keuschheit nicht nur möglich, sondern eine Quelle der Freude und der Heiligkeit ist; überall die unerlässlichen Bedingungen für seine Verwirklichung bekanntzumachen und zu fördern. Wir haben selbst mehrmals unsere Auffassung über den priesterlichen Zölibat dargelegt. Wir haben ihm, wie Ihr selbst wisst, eine besondere Enzyklika "Sacerdotalis coelibatus" gewidmet, in der wir auf die Einwände gegen ihn eine Antwort gaben.

4.-7.1.1970: In Noordwijkerhout findet das 5. Pastoralkonzil der niederländischen katholischen Kirche statt. Es zählt 208 Teilnehmer. Davon waren 108 stimmberechtigt und von diesen 106 bei den Abstimmungen anwesend. Die 108 Stimmberechtigten: das Präsidium aus 8 Bischöfen; die Zentralkommission mit 7 Mitgliedern, von denen 2 Bischöfe waren (die nicht doppelt gezählt werden dürfen); 7 Delegationen zu je 10 Mitgliedern aus den Diözesen Utrecht, Haarlem, 's-Hertogenbosch, Breda, Roermond, Groningen, Rotterdam; 3 Vertreter der Priesterorden, 2 der Brüdergemeinschaften, 3 der Schwesternkongregationen, 1 der Schwesternorden, 1 der Säkularinstitute und schließlich 15 durch die Bischöfe Eingeladene, um möglichst alle Schichten und Gruppen der Gläubigen vertreten sein zu lassen. Dem Beruf nach waren es 8 Bischöfe, 15 Weltpriester, 15 Ordenspriester, 9 Schwestern, 7 Brüder, 26 verheiratete Männer, 12 verheiratete Frauen, 6 unverheiratete Männer, 8 unverheiratete Frauen, 2 unbekannt. Demgemäß entsprachen 38 Ordinierten 70 Laien, 29 Frauen, 79 Männer, 28 Akademiker, 80 Nichtakademiker. Unter den Laien gehörten 9 dem Lehrfach an, 8 der Wirtschaft, 5 der Journalistik, 1 der Erwachsenenbildung, 3 waren Arbeiter, 3 Ärzte, 2 Ingenieure, 2 Berufssoldaten, 2 medizinisch-technisch Assistentinnen, 1 Bürgermeister, 1 Programmierer, 1 Sozialarbeiter, 9 Studenten. Von den eingeladenen ausländischen und andersgläubigen Kirchen waren vertreten: die Bischofskonferenzen Deutschlands und Belgiens sowie der Apostolische Administrator Prags durch einen Vertreter; der Nuntius Angelo Felici erschien trotz Einladung ohne Kommentar nicht (ein einmaliger Vorgang).

Nach ausführlicher Debatte, in der immer wieder betont wurde, das derzeitige Bild vom Priester sei von mediterranen Völkern geprägt und vermöge nordeuropäischer Geisteshaltung sehr viel weniger zu sagen, führte Kardinal Alfrink u. a. aus:

Wir alle wissen, wie Papst Paul sich noch in jüngster Zeit über die Beibehaltung der Zölibatsverpflichtung verbindlich ausgesprochen hat; zuletzt in seiner Weihnachtsansprache vom 15. Dezember vor dem Kardinalskollegium. Es dürfte vielleicht aufgefallen sein, dass in dieser Weihnachtsansprache ein Passus vorkam, der, wie ich denke, für uns wohl von Bedeutung ist, da wir doch über den Zölibat sprechen wollen. Die Wendung nämlich, worin er sagt, dass die Fragen rund um die Problematik der priesterlichen Existenz gegenwärtig geprüft werden. Zudem wissen wir alle, denke ich - falls ich mich nicht irre; und sollte dies der Fall sein, so kann mich jemand nachher korrigieren, aber ich meine, wir wissen es alle -, dass die internationale römische Theologenkommission ebenfalls das Thema der Problematik der priesterlichen Existenz mit Vorrang auf ihre Agendaliste gesetzt hat. Und es ist auch bekannt, dass sich die Kleruskongregation ebenfalls mit dieser Materie beschäftigt. Und demzufolge kann man wiederum darauf schließen, dass diese Materie nicht nur in den Niederlanden, sondern auch außerhalb von Holland diskutiert worden ist. Dies geschah vielleicht auf andere Art, als wir es hier tun; aber man kann doch wohl schwerlich unterstellen, dass dieselbe Materie überall außer in den Niederlanden unbeachtet, unerwogen und undiskutiert bleibt.

Ich hielt dies für wichtige Gesichtspunkte, denen wir doch einige Überlegung widmen sollten. Wir sollen doch auch wiederum versuchen, die ganze Frage des priesterlichen Zölibats in einem positiven und nicht nur in einem negativen Sinn anzugehen. Es fällt mir nämlich in den Diskussionen gewöhnlich auf, dass man fast ausschließlich über die Abschaffung des Zölibats, anstatt über die Trennung des Zölibats (vom Priesteramt) diskutiert, und dass man nur selten irgendwo die Frage stellt - und ich würde dies doch für ein sehr wichtiges Element halten -, wie und auf welche Weise dieses wertvolle Gut, das wir ja alle als solches anerkennen wollen, in der Kirche erhalten und wirksam bleiben soll. Mit Freude habe ich gesehen, dass dieser Gedanke im soeben verlesenen Einführungsbericht auch tatsächlich enthalten ist. Meiner Meinung nach liegt es nahe, dass wir auch darauf hinweisen...

Sehen Sie, diese Beratung, die wir nun über den Zölibat anfangen, ist mehr oder weniger ein Endpunkt einer recht lange währenden Beratschlagung. Diese Beratung begann hier in diesem Saal im November 1968, glaube ich, während der damals abgehaltenen Priesterkonferenz ...

Es wurde der Wunsch geäußert, dass die Bischöfe an diesen Überlegungen und an der Diskussion darüber bereitwillig teilnehmen sollten. Und ich glaube sagen zu dürfen, dass die Bischöfe auch die Absicht hatten, es zu tun. Aber andererseits möchte ich auch auf die Lage der Bischöfe hinsichtlich dieser ganzen Beratung, der Diskussionen und des Abschlusses und Ergebnisses dieser Beratung aufmerksam machen. Man sollte auch Verständnis dafür haben, dass es für die Bischöfe doch recht schwer wäre, sich öffentlich auf irgendetwas festzulegen, ehe das Ganze überblickt werden könnte. Kämen "vorläufige" Äußerungen in die internationale Presse, dann gerieten die Bischöfe und ihre Ansichten unvermeidlich ins Zwielicht, noch bevor sie Gelegenheit hätten, klärende Stellungnahmen nachzuschicken.

Anschließend kam es zu einer Abstimmung über 6 Fragen, wobei sich die Bischöfe bei den ersten 5 Fragen der Stimme enthielten.

Die Fragen und die Abstimmungsergebnisse:

  1. Aufhebung der Zölibatspflicht als Voraussetzung für das Priesteramt:
    93 Ja, 2 Nein, 3 Enthaltung
  2. von Priesteramtskandidaten darf nicht mehr gefordert werden, zölibatär zu verbleiben:
    90 Ja, 6 Nein, 2 Enthaltung
  3. der Episkopat soll den Grundsatz unterstützen, Verheiratete zum Priesteramt zuzulassen, und soll die nötigen Vorbedingungen schaffen:
    94 Ja, 1 Nein, 3 Enthaltung
  4. verheiratete oder heiratswillige Priester sollen ihr Amt ohne Beschränkung (Voraussetzung: persönliche Eignung, Zustimmung der Gemeinde usw.) ausüben, die Bischöfe sollen diesen Versuch unterstützen und beobachten und der zweiten Bischofssynode darüber berichten, damit diese zum Nutz der Weltkirche eine tatsachengestützte Entscheidung treffen kann:
    86 Ja, 3 Nein, 9 Enthaltung
  5. die Bischöfe sind aufgefordert, die vorstehenden Voten schnellstmöglich zu verwirklichen:
    79 Ja, 8 Nein, 4 Enthaltung

» Rückweisung der niederländischen Beschlüsse durch
    Papst Paul VI.

 

Autor: Hanswilhelm Haefs

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